The United States vs. Billie Holiday – ab 23.04.2021 als digitaler Download und ab 14.05.2021 als Blu-ray & DVD - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Kunst + Kultur



AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 20.04.2021


The United States vs. Billie Holiday – ab 23.04.2021 als digitaler Download und ab 14.05.2021 als Blu-ray & DVD
Silvy Pommerenke

Die afro-amerikanische Jazz-Sängerin Billie Holiday wurde in den 1940er Jahren zur Zielscheibe des Federal Department of Narcotics, weil sie den Song "Strange Fruit" auf der Bühne interpretierte. Darin geht es um die Lynchmorde an Schwarzen – für die (weiße) US-amerikanische Regierung Grund genug, eine rassistische Hetzjagd auf sie zu beginnen, um sie zum Schweigen zu bringen.




Der Film geht dieser Hetzjagd mit einer starken Hauptdarstellerin auf den Grund. Die Darstellerin von Billie Holiday ist die Soulsängerin Andra Day, die in ihrer ersten Hauptrolle als Schauspielerin den gesamten Film trägt, und die für ihre beeindruckende Darstellung für den Grammy und für den Oscar in der Kategorie "Beste Hauptdarstellerin" nominiert wurde. Auch wenn sich die Schauspielerin äußerlich stark von Billie Holiday unterscheidet, so ist die stimmliche Ähnlichkeit, das Heiser-Schmerzvolle, verblüffend. Allein aus diesem Grund schon ist es ratsam, den Film in der Original-Version und nicht in der synchronisierten Fassung zu sehen.

Andra Day versteht es gekonnt, alle Facetten der Jazz-Sängerin darzustellen. Es hätte keine Bessere für die Besetzung geben können. Und dabei tritt sie in große Fußstapfen: 1972 hatte die US-amerikanische Soul-Sängerin Diana Ross die Hauptrolle im Kinofilm "Lady Sings The Blues" gespielt. Alle Songs werden von Andra Day selbst interpretiert. Besonders ergreifend ist die Szene, in der sie den Song "Strange Fruit" vor einem leeren Publikumsraum performt –sinnbildlich dafür, dass sie das Lied zwar offiziell nicht singen durfte, es in ihrem Herzen aber immer präsent war.

Der Film befasst sich jedoch nicht nur mit der Verfolgung durch das Federal Department of Narcotics, federführend durch Harry Anslinger (Garrett Hedlund), sondern geht weit darüber hinaus. Er macht deutlich, wie die Jazzsängerin mit den Drogen kämpft, aus welchem Grund sie Alkoholikerin und heroinabhängig wurde, und warum sie immer wieder Beziehungen zu gewalttätigen Männern eingeht. Als Zehnjährige vergewaltigt, verfolgt sie dieses Trauma bis ins Erwachsenen-Alter. Der Rassismus tut ein Übriges, sodass sie Ausflucht in den Drogen sucht, um irgendwie zu überleben. Bezeichnend ist ihr Statement: "I don´t like the quiet - it´s so noisy."

Der Song "Strange Fruit", den Billie Holiday 1939 zum ersten Mal aufführt, wurde zwei Jahre zuvor von Abel Meeropol geschrieben. Es ist Billie Holidays einziger Song, der sich einem politischen Thema widmet. Aber genau dieses Lied ist für sie enorm wichtig, um gegen die rassistische Gewalt und das von Weißen dominierte System anzukämpfen.

Die US-amerikanische Regierung und mit ihr das ausführende Organ des Federal Department of Narcotics erteilt ihr das Verbot, dieses Lied auf der Bühne zu singen, auch wenn das Publikum eindrücklich danach verlangt. Die erste Zeile zeigt deutlich, wie brisant der Inhalt des Liedes ist: "Southern trees bear a strange fruit, blood on the leaves and blood at the root, black bodies swinging in the southern breeze, strange fruit hanging from the poplar trees."

Ihre Drogensucht wird für die Ermittler als Vorwand benutzt, sie zu verfolgen und zu verhaften. Maßgeblich daran beteiligt ist der Schwarze Bundesagent Jimmy Fletcher (Trevante Rhodes), der anfänglich glaubt, dass er für eine gute Sache kämpft und Harlem von Drogen befreien kann. Was aber letztendlich dahintersteckt ist, dass die Regierung ihn instrumentalisiert, um Billie Holiday hinter Gitter zu bringen, um sie damit mundtot zu machen. Neben Billie Holiday werden auch andere Schwarze Jazzgrößen von dem perfiden System observiert, und auch die Weißen in ihrem Umfeld werden in die Hetzjagd einbezogen, wie beispielsweise die Schauspielerin Tallulah Bankhead (Natasha Lyonne), die sich für Bürger*innenrechte einsetzt.

Der Film arbeitet immer wieder mit Rückblenden und Einschüben, wechselt von Schwarz-Weiß zu Farbe, und bildet beinahe das ganze Leben von Billie Holiday ab. Regisseur Lee Daniels, der bereits mit "Precious – Das Leben ist kostbar" (2009) oder mit "Der Butler" (2013) politische Dramen auf die Leinwand brachte, hat mit "The United States vs. Billie Holiday" erneut einen anspruchsvollen Film geschaffen. Die Vorlage basiert auf dem Roman "Chasing the Scream: The First and Last Days of the War on Drugs" von Johann Hari. Das Drehbuch zum Film stammt von der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Autorin Suzan-Lori Parks.

Billie Holiday, geboren 1915 in Philadelphia, begann 1929 unter ihrem Geburtsnamen Elinore Harris aufzutreten. "Lady Day", wie sie auch genannt wurde, erhielt 1933 einen Plattenvertrag und sang mit Jazz-Größen wie Benny Goodman, Count Basie oder Artie Shaw. Insgesamt nahm sie an die 125 Singles auf. Überwiegend interpretierte sie Songs aus fremder Feder, aber sie schrieb auch einige selbst, unter anderem "I Love My Man", "Somebody´s on My Mind" oder "My Man". Ihr Leben war geprägt von Drogen- und Alkoholexzessen, von gewalttätigen Männern, die sie finanziell ausbeuteten und von ihrer Vorliebe für Hunde. Wie sehr sie an den Vierbeinern hing, kommt in dem Film ebenfalls zur Sprache, als eines ihrer Hündchen stirbt, und sie dafür eine Beerdigungszeremonie in einer Kirche abhält. Der ungesunde Lebenswandel rächte sich mit ihrem frühen Tod: mit nur 44 Jahren starb sie an Leberzirrhose in einem New Yorker Krankenhaus. Noch auf dem Sterbebett wurde sie von der Polizei verhaftet und mit Handschellen ans Bett gefesselt. Billie Holidays Grab befindet sich auf dem Saint Raymonds Cementery in New York.

AVIVA-Tipp: "The United States vs. Billie Holiday" ist viel mehr als nur ein Bio-Pic über die unvergleichliche Jazz-Sängerin, sondern ein politisches Drama, das den Rassismus und Verfolgung von Schwarzen in den USA in den 1940er Jahren zum Mittelpunkt hat. Ein Rassismus, der bis heute existiert. Die Soul- und R&B-Sängerin Andra Day schlüpft beindruckend und feinfühlig in die Rolle von Billie Holiday, und spielt sich damit als Schauspielerin in die erste Liga der ganz Großen.

The United States vs. Billie Holiday
USA 201
Regie: Lee Daniels
Drehbuch: Suzan-Lori Parks
Basierend auf dem Bestseller: "Drogen – Die Geschichte eines langen Krieges" von Johann Hari
Produzent*innen: Jordan Fudge, Jeff Kirschenbaum, Joe Roth, Tucker Tooley, Pamela Oas Williams
Mit Marina Andra Day, Trevante Rhodes, Garrett Hedlund, Natasha Lyonne, Melvin Gregg, Evan Ross, Da´Vine Joy Randolph, Dana Gourrier
Im Verleih von capelight pictures und Wild Bunch Germany
130 Minuten
Ab 23. April 2021 digital zum Kauf erhältlich, ab 30. April 2021 digital zum Leihen und ab 14. Mai 2021 auf Blu-ray/DVD
Der Soundtrack zum Film erscheint am 14.05.2021 bei Warner Music auf CD und ist digital verfügbar.
Mehr zum Film und der Trailer unter: capelight.de/the-united-states-vs-billie-holiday und YouTube

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Beitrag vom 20.04.2021

Silvy Pommerenke